Salzburg hat ein Verkehrsproblem. Das ist unumstritten. Volle Straßen, Staus und Co lassen Autofahrende nahezu täglich verzweifeln. Abhilfe soll die geplante teils unterirdische 17 Kilometer lange Verlängerung der Lokalbahn vom Salzburger Hauptbahnhof bis nach Hallein (Tennengau) schaffen – der S-Link. Während Befürworterinnen und Befürworter auf eine massive Verkehrsentlastung hoffen, kritisieren Gegner:innen die hohen Kosten sowie den teils unklaren Trassenverlauf und setzen sich für eine Verbesserung des bestehenden öffentlichen Nahverkehrs ein. Außerdem würde ein Großteil der Pendler:innen nicht davon profitieren. Politisch haben sich alle im Landtag vertretenen Parteien – bis auf die SPÖ – für den S-Link ausgesprochen, der als Grundstein für die Salzburger Mobilitätswende gilt.
"Ausgang der Abstimmung völlig offen"
Der Spatenstich für die erste Bauetappe zum Mirabellplatz war ursprünglich Ende 2023 geplant und die Inbetriebnahme für den ersten Streckenteil war für 2026 vorgesehen. Bei einer im November 2023 in der Stadt Salzburg durchgeführten Bürgerbefragung stimmte die Mehrheit gegen den S-Link. Daraufhin kündigte das Land eine Volksbefragung an, die heuer am 10. November stattfindet. Für die Stadtregierung ist das Ergebnis politisch bindend, wurde im Arbeitsübereinkommen festgelegt. Falls der S-Link nicht zustande kommen sollte, fließt das Geld aus der zugesicherten 50-prozentigen Finanzierung des Bundes laut ÖVP in den Bau der Linzer Regionalstadtbahn, der Wiener U-Bahn oder in den Infrastrukturausbau einer anderen Landeshauptstadt.
"Der Ausgang der S-Link-Abstimmung ist derzeit völlig offen und lässt sich nicht abschätzen", sagt der Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck zu SALZBURG24. "Beide Seiten mobilisieren massiv und investieren sehr viele Ressourcen." Ein großes Fragezeichen sei auch die Wahlbeteiligung in den drei zur Volksabstimmung zugelassenen Bezirken Stadt Salzburg, Flachgau und Tennengau.
Was zum S-Link bekannt ist
Im Gesamtausbau soll die Strecke unterhalb der Salzburger Altstadt verlaufen, in der Alpenstraße auftauchen und oberirdisch über Anif (Flachgau) bis Hallein führen. Insgesamt 14 reguläre und zwei Bedarfshaltestellen sind geplant. In der Landeshauptstadt soll der S-Link am Mirabellplatz, Mozartsteg, Unipark Nonntal und an der Akademiestraße halten. Etwa 4,5 Kilometer der Strecke würden hier unterirdisch im Tunnel verlaufen. Und auf der Alpenstraße im Süden der Stadt Salzburg sollen jeweils zwei Fahrspuren für Autos und Busse zur Verfügung stehen. Dazu ist ein Fahrradweg geplant. Getrennt werden sollen die Fahrbahnen von zwei Schienen auf Grünstreifen in der Mitte.
Ein neuer Zug der Lokalbahn mit drei Garnituren habe laut S-Link-Projektgesellschaft Platz für bis zu 700 Menschen. Die Fahrt von Bergheim zum Unipark in Salzburg-Nonntal soll dann weniger als zwölf Minuten betragen. Bei einer Frequenz von 7,5 Minuten könnte der S-Link eigenen Angaben zufolge rund 5.500 Personen pro Stunde in beide Richtungen transportieren. Gemeinsam mit weiteren Maßnahmen soll der Anteil des öffentlichen Verkehrs von derzeit ca. 15 Prozent auf bis zu 30 Prozent erhöht werden.
Der erste, rund 900 Meter lange, Abschnitt vom Hauptbahnhof bis zum Mirabellplatz ist fertig geplant und die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verlief positiv. Die durchschnittliche Tunneltiefe der Lokalbahn-Verlängerung soll 15 Meter betragen.
Sorgen um historische Häuser und Baugrund
Immer wieder sorgten Probebohrungen für den S-Link und die angekündigten Bauarbeiten für Wirbel wegen möglicher Bauschäden. Kritiker:innen befürchten Schäden an historischen Gebäuden in der Salzburger Innenstadt. Laut einem von der Initiative "Altstadt retten" in Auftrag gegebenem Gutachten sei Fachleuten zufolge bei der Untertunnelung der rechten Altstadtseite mit irreparablen Schäden zu rechnen.
Es werde durch eine unterirdische Bahn nichts einstürzen, denn "jeder Untergrund könne entsprechend gefestigt werden", heißt es seitens der Projektgesellschaft. Je nach Material könne ein Tunnelbau aber teurer werden, das sei in den Kosten für den S-Link aber bereits berücksichtigt worden. Der Betreiber beruft sich auf "umfangreiche Prüfungen und Gutachten", die gezeigt hätten, "dass alle Varianten, die teilweise bzw. gänzlich an der Oberfläche geführt würden, hinsichtlich der Fahrzeit, Kapazität, Umweltwirkungen und Co gravierende Nachteile aufweisen."
Der Salzburger Seeton sei auch kein größeres Problem, betont die Projektgesellschaft im gleichen Atemzug. Rund 100 bisher durchgeführte Baugrunderkundungen würden die Grundlage dafür bieten, dass bei Anwendung entsprechender Bauverfahren eine sichere Umsetzung des S-Link im Salzburger Untergrund möglich ist. Außerdem seien etwa das Mozarteum oder Perron-Gebäude der Beweis dafür, dass man trotz des Seetons große Bauprojekte durchführen könne. Seeton gilt grundsätzlich als schwieriger Untergrund, weshalb Kritiker:innen des S-Link massive Baukostensteigerungen befürchten.
Neben der klassischen Tunnelbauweise bei der Querung des Fünfhaus-Viadukts soll beim Bau über weite Strecken die sogenannte Deckelbauweise angewendet werden. Dabei wird ein robuster Rahmen geschaffen, der es ermöglicht, einen wesentlichen Teil der Tunnelbauarbeiten unterirdisch umzusetzen. Das soll Bauarbeiten sowie Lärm an der Oberfläche minimieren.
Verkehrsberuhigung rund um Salzburg Boulevard
Im Zuge der Bauarbeiten soll die Rainerstraße in den Stadtteilen Elisabeth-Vorstadt und Neustadt zum "Salzburg Boulevard" werden. Die Strecke vom Hauptbahnhof bis zum Mirabellplatz soll verkehrsberuhigt und mit Grünflächen aufgewertet werden. Die aktuelle Geschäftszeile in der Rainerstraße an der Kiesel-Kreuzung müsste dafür aber abgerissen werden. Dort hat sich auch längst Widerstand formiert.
Konkreter Trassenverlauf weiter unklar
Endgültig fix ist die Trassenführung noch nicht. Und das wird sie auch vor der Volksbefragung nicht mehr sein. Klar ist nur, dass der S-Link unter der Salzburger Innenstadt durchfahren, bei der Akademiestraße auftauchen und über die Alpenstraße weiter nach Süden führen soll. Zuletzt wurde der Abschnitt rund um Anif nochmals angepasst. Ein kleiner Haken führt die Schienen nach Neu-Anif, wo eine Haltestelle den S-Link sowohl für Anif als auch für Grödig erreichbar macht und dann weiter zur Autobahn. Weiters werden die Gleise nun nicht mehr durch die Felder in Richtung Hallein-Rif geplant, sondern entlang der Tauernautobahn (A10). Wie dicht man dann tatsächlich an die A10 heranbauen kann, ist noch unklar. In Rif soll der S-Link den aktuellen Plänen zufolge mit einer Unterführung die Hauptstraße kreuzen.
Endgültig festgelegt werden soll die S-Link-Trasse aber erst im Zuge der UVP-Prüfung, die bislang nur für den ersten Abschnitt bis zum Mirabellplatz durchgeführt wurde. Unklar bleibt bis dato deshalb auch, welche Grundbesitzer:innen südlich der Landeshauptstadt möglicherweise gegen eine finanzielle Entschädigung enteignet werden.
Durch die Bauarbeiten im ersten Bauabschnitt im Verlauf von drei Jahren seien für die Gastronomie und Hotellerie laut einer Wirtschaftskammer-Studie Schäden in Höhe von ca. 200 Millionen Euro zu erwarten. Am meisten betroffen seien neben dem Kongresshaus zudem Betriebe in der Neustadt und der Alpenstraße. Bei einer Kostenbeteiligung durch den Bund mit 50 Prozent bleibe die Wertschöpfung zu etwa zwei Dritteln in Salzburg, ergab eine Studie vom Wirtschaftsforschungsinstitut Economica.
Wie viel kostet der S-Link?
Die kolportieren Kosten liegen je nach Trassenführung zwischen 1,9 und 2,8 Milliarden Euro. In Summe sei der Nutzen des S-Link höher als die Kosten, betont das Land Salzburg. Reserven seien in dieser Summe bereits einkalkuliert. Wie sich Bund, Land und Gemeinden die Kosten schließlich aufteilen, bleibt eine politische Frage. Trotz Verhandlungen zwischen Stadt und Land gibt es den von der Stadt geforderten Kostendeckel für den S-Link weiterhin nicht. Weiterverhandeln will das Land aber erst, wenn die Arbeiten für den ersten Bauabschnitt bis zum Mirabellplatz ausgeschrieben werden und konkrete Kosten feststehen. Fest steht nur, dass der Bund die Hälfte der Gesamtkosten übernimmt.
Neben den Verknüpfungen mit den ÖBB-Strecken prüft die Projektgesellschaft auch die Einbindung der Messebahn, der Stieglbahn, der Königsseebahn oder der Salzkammergut-Lokalbahn. Wie das schlussendlich genau funktionieren soll, steht in den Sternen.
Lokalbahnverlängerung seit Jahrzehnten am Plan
Die unterirdische Lokalbahnverlängerung vom Hauptbahnhof wurde bereits 1946 im Salzburger Gemeinderat beschlossen, aber lange Zeit nicht verfolgt. Erst in den 1980er-Jahren gab es wieder Aktivität, die jedoch bald wieder stockte. Der Bau des tiefergelegten Lokalbahnhofs in den 1990er-Jahren sollte den Grundstein für den S-Link legen. Mit der Gründung der S-Link-Projektgesellschaft im Jahr 2020 kam schließlich wieder Bewegung in das Projekt. Die Volksabstimmung am 10. November entscheidet darüber, ob das Salzburger Mega-Verkehrsprojekt realisiert oder versenkt wird.
(Quelle: salzburg24)