Der Arbeitskräftebedarf in Österreich ist bereits jetzt eklatant und der demografische Wandel der Gesellschaft dürfte diesen aktuell schon massiven Engpass weiter verschärfen. Die Hälfte aller Wirtschaftsbranchen klagt über Personalmangel.
Zahl der erwerbstätigen Personen sinkt
Weil die geburtenstarken Jahrgänge das Pensionsalter erreichen und die nachrückenden Generationen diese Lücke nicht auffüllen dürften, geht die Salzburger Landesstatistik in einem Szenario davon aus, dass die Zahl der erwerbstätigen Personen in den nächsten 20 Jahren signifikant sinken wird.
Ein Weg raus aus dieser Arbeitsmarkt-Misere könnte Zuwanderung sein.
Ist Österreich ein Einwanderungsland?
Die Debatte darum, ob Österreich ein Einwanderungsland sei, werde "schon elend lang geführt", stellt Politikwissenschafter Rainer Bauböck bei einer Buchvorstellung und Diskussionsrunde am Mittwoch im Salzburger Literaturhaus fest. "Aber das ist ja Faktum." Und offizielle Zahlen belegen das: In Österreich leben aktuell rund 1,6 Millionen Menschen aus dem Ausland – das entspricht einem Bevölkerungsanteil von fast 18 Prozent. Zum Vergleich: 2012 waren es mehr als 950.000 Ausländer:innen und damit knapp 11 Prozent der Bevölkerung.
Hierzulande sind heute die größten ausländischen Gruppen aus Deutschland (217.000), Rumänien (138.000) und Serbien (122.000). In Österreich hat fast ein Viertel der knapp vier Millionen unselbstständig Beschäftigten keinen rot-weiß-roten Pass. In Tourismus und Gastronomie kommt mehr als die Hälfte der Beschäftigten aus dem Ausland. Überdurchschnittlich hoch ist der Ausländeranteil unter systemrelevanten Arbeitskräften, wie etwa in der Pflege oder Kinderbetreuung. In der Reinigungsbranche liegt der Ausländeranteil bei fast 70 Prozent.
Im Ausland geborene Salzburger:innen
Und der bundesweite Trend bestätigt sich auch in Salzburg: Der Anteil der Salzburger Bevölkerung mit österreichischer Staatsbürgerschaft lag Anfang 2021 bei knapp 82 Prozent. Ein Ausländeranteil von 18 Prozent entspricht umgerechnet mehr als 100.000 im Bundesland lebenden Menschen. Die Salzburger Landesstatistik geht in einer Prognose davon aus, dass im Jahr 2061 voraussichtlich mehr als ein Viertel der Salzburger:innen im Ausland geboren sein wird. Allerdings dürften die wenigsten davon – sofern sich bis dahin nichts an der aktuellen Gesetzeslage ändert – eine österreichische Staatsbürgerschaft haben.
Denn die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfolgt nach dem Abstammungsprinzip, sie ist also grundlegend an die Eltern gekoppelt: Das heißt, falls die Eltern nicht eingebürgert wurden, ist der Nachwuchs – auch wenn er in Österreich zur Welt kam – ohne rot-weiß-rote Staatsbürgerschaft. Das führt dazu, dass bis zu einem Viertel der hierzulande geborenen Kinder als Ausländer:innen gelten.
EU-weit restriktivster Zugang zur Staatsbürgerschaft
In Österreich Geborene mit ausländischen Eltern bekommen zwar nach sechs Jahren die Möglichkeit zum Erlangen der Staatsbürgerschaft. Allerdings scheitert das oftmals an den Finanzen der Eltern: Denn wenn monatlich nicht über 1.625 Euro netto übrig bleiben, bekommen die Kinder im eigenen Geburtsland keinen österreichischen Pass. Durch Einbürgerungen könnten allerdings Perspektiven geschaffen werden, außerdem ist es Forschenden zufolge ein Integrationsmotor.
Das sind die Hürden bei der Einbürgerung
"Österreich hat europaweit den restriktivsten Zugang zur Staatsbürgerschaft", betont Politikwissenschafter Gerd Valchars und führt aus: "Jedes einzelne Kriterium ist sehr hoch angesetzt. Schon Verwaltungsstrafen können dazu führen, dass die Unbescholtenheit nicht mehr gegeben ist und daran die Einbürgerung scheitert." Neben der Erfüllung unterschiedlicher Kriterien muss dann noch ein Einbürgerungstest mit 18 Fragen aus drei Themengebieten bestanden werden. Zusätzlich fallen Kosten in vierstelliger Höhe an.
Strikte Einbürgerungsregeln
In einer weltweit durchgeführten Vergleichsstudie unter 56 Industrienationen zu Einbürgerungsregeln belegt Österreich den drittletzten Platz vor Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die jährliche Einbürgerungsquote liegt hierzulande bei etwa 0,7 Prozent. In Deutschland ist sie bei 1,1 Prozent und EU-weiter Durchschnitt ist 1,9 Prozent.
Immer weniger Wahlberechtigte
Das könne in Österreich – davor warnen Forschende eindringlich – zu schleichender Demokratieentwertung führen. Denn bei fortschreitender Entwicklung werden künftig immer weniger Menschen im Land eine Regierung demokratisch legitimieren können, da sich das Verhältnis zur Wohnbevölkerung stetig verändert. Repräsentationslücke wird das in der Forschung genannt oder vereinfacht ausgedrückt: Wenn Staatsvolk und Staatsgebiet auseinanderdriften.
Um 0,52 Prozent bzw. 33.323 ist die Zahl der Wahlberechtigten bei der Bundespräsidentschaftswahl 2022 gegenüber der Nationalratswahl 2019 in Österreich zurückgegangen – Tendenz weiter sinkend. Besonders viele Nicht-Wahlberechtigte gibt es in den Städten und im Westen Österreichs. Zur BP-Wahl am vergangenen Wochenende waren im Land Salzburg rund 30 Prozent der Bevölkerung im Wahlalter nicht stimmberechtigt, was diese Repräsentationslücke nochmals verdeutlicht.
Bedingtes "ius soli" statt Abstammungsprinzip?
Neben einem niederschwelligen Staatsbürgerschaftsrecht plädieren die Politikwissenschafter Bauböck und Valchars für eine Reform der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach dem Geburtsrecht: Deutschland wendet wie auch andere Staaten das bedingte "ius soli" an. Das heißt: Erblickt ein Kind in der Bundesrepublik das Licht der Welt und sind die Eltern über acht Jahre rechtmäßig im Land, wird der Nachwuchs automatisch in Deutschland eingebürgert.
Schließlich erhalten im Umkehrschluss im Ausland geborene Österreicher:innen automatisch den rot-weiß-roten Pass. Und die Staatsbürgerschaft kann über Generationen weitergegeben werden, auch wenn man zu keiner Zeit in der Alpenrepublik gewohnt hat. "Einwanderung sollte im allgemeinen Interesse sein und nicht nur dann, wenn es sich um Prominente handelt", resümiert Bauböck.
Beim – nicht repräsentativen – SALZBURG24-Meinungscheck sprach sich am Mittwoch übrigens bei fast 1.000 abgegebenen Stimmen eine deutliche Mehrheit von fast 80 Prozent dagegen aus, den Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft zu erleichtern.
Hintergrundinfos zum Buch Migration & Staatsbürgerschaft
Das zweite Sachbuch aus der dreiteiligen "Migration &"-Reihe analysiert die Zusammenhänge von Migration, Staatsbürgerschaft und Wahlrecht in Österreich. Vorgestellt wurde das Werk von den Autoren Gerd Valchars und Rainer Bauböck bei einer Diskussionsveranstaltung am Mittwoch im Literaturhaus in Salzburg-Lehen.
Damit soll das "quer durch die Mitte der Gesellschaft stark polarisierende Migrationsthema" der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu schaffen: "Faktenbasiert und unpolitisch", wie die Autoren betonen. Neben einer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen kostenpflichten Buchausgabe gibt es digital auch eine gratis "Open Access"-Version.
(Quelle: salzburg24)